Chomsky's Werke
Chomskys 'Syntaktische Strukturen' sind ein Destillat seines Buches "Die logische Struktur der
linguistischen Theorie", in dem er die Transformationsgrammatik einführte. Die Theorie nimmt
Äußerungen (Worte, Phrasen, Sätze) und setzt sie mit "Oberflächenstrukturen" in Zusammenhang, die
selbst wieder mit abstrakteren Tiefenstrukturen korrespondieren. (Eine steife und klare
Unterscheidung zwischen Oberflächen- und Tiefenstrukturen wird heute in gegenwärtigen Versionen
der Theorie nicht mehr vorgenommen.) Umformungsregeln bestimmen zusammen mit den Regeln für die
Struktur von Phrasen und anderen Strukturprinzipien sowohl die Erzeugung als auch die
Interpretation von Äußerungen. Mit einem begrenzten Instrumentarium von grammatikalischen Regeln
und einer endlichen Anzahl von Wörtern kann eine unbegrenzte Menge von Sätzen gebildet werden.
Darunter solche, die noch nie zuvor gesagt wurden. Die Fähigkeit, unsere Äußerungen auf diese
Weise zu strukturieren, ist angeboren und somit ein Teil des genetischen Programms des Menschen.
Dieses wird Universalgrammatik genannt. Wir sind uns dieser Strukturprinzipien im Allgemeinen
genausowenig bewusst, wie wir es uns der meisten unserer biologischen und kognitiven
Eigenschaften sind.
Aktuelle Theorien Chomskys (wie sein Minimalismus) stellen strenge Anforderungen an die
Universalgrammatik. Grammatikalischen Prinzipien unterliegende Sprachen sind festgelegt und
angeboren, der Unterschied zwischen den Weltsprachen kann durch das Setzen von Parametern im
Gehirn charakterisiert werden, was oft mit Schaltern verglichen wird (beispielsweise der prodrop
Parameter, der anzeigt, ob ein explizites Subjekt wie im Englischen oder Deutschen immer benötigt
wird -prodrop, oder es wie im Spanischen oder Italienischen auch wegfallen kann +prodrop). In
Abhängigkeit von diesen Parametern weisen Sprachen grammatische Eigenschaften auf, die nicht mehr
zusätzlich gelernt werden müssen. Ein Kind, das eine Sprache lernt, müsse nur die notwendigen
lexikalischen Einheiten (Worte) und Morpheme erwerben und die Parameter auf passende Werte
festlegen, was bereits anhand weniger Beispiele erfolgen könne.
Chomskys Herangehensweise ist durch mehrere Beobachtungen motiviert. Ihn erstaunte zunächst das
Tempo, mit dem Kinder Sprachen lernen. Weiterhin stellte er fest, dass Kinder auf der ganzen Welt
auf eine ähnliche Weise sprechen lernen. Schließlich bemerkte er, dass Kinder bestimmte typische
Fehler machen, wenn sie ihre erste Sprache erlernen, wohingegen andere offensichtlich logische
Fehler nicht auftreten.
Chomsky Ideen hatten einen starken Einfluss auf die Untersuchung des kindlichen Spracherwerbs.
Die meisten in diesem Bereich arbeitenden Wissenschaftler lehnen Chomskys Theorien jedoch ab und
bevorzugen Emergenz- oder Konnektionismustheorien, die auf allgemeinen Verarbeitungsmechanismen
im Gehirn aufbauen. Letztlich bleiben aber praktisch alle linguistischen Theorien kontrovers,
und so wird auch die Untersuchung des Spracherwerbs aus der Chomskyschen Perspektive fortgeführt.
Chomsky Herangehensweise an die Syntax, oft
generative Grammatik genannt, wurde, obwohl sie sehr
verbreitet ist, durch viele - insbesondere durch außerhalb der USA arbeitende Forscher, in Frage
gestellt. Chomskys syntaktische Analysen sind oft hochgradig abstrakt. Sie beruhen auf der
sorgfältigen Untersuchung der Grenze zwischen grammatikalischen und ungrammatikalischen Mustern
in konkreten Sprachen (vergleiche den so genannten pathologischen Fall, der in der Mathematik
eine ähnlich bedeutende Rolle spielt). Derartige grammatische Entscheidungen können
genaugenommen jedoch nur durch Muttersprachler getroffen werden. Deshalb konzentrieren sich
Linguisten meist auf die eigene Muttersprache beziehungsweise Sprachen, die sie fließend
beherrschen, für gewöhnlich englisch, französisch, deutsch, holländisch, italienisch, japanisch
oder eine der chinesischen Sprachen. Manchmal scheitert eine Analyse der generativen Grammatik,
wenn sie auf eine Sprache angewandt wird, die zuvor nicht studiert wurde. Wenn neue Sprachen
erforscht werden, führt dies meist zu zahlreichen Korrekturen am Konzept der generativen
Grammatik. Die Anforderungen, die an linguistische Universalien (Aussagen die auf alle Sprachen
zutreffen) gestellt werden, wurden im Lauf der Zeit stetig mehr. Kaynes Vorschlag aus den 1990er
Jahren beispielsweise, dass alle Sprachen über eine zugrunde liegende Subjekt-Verb-Objekt Ordnung
verfügen, wäre in den 1960er Jahren nicht plausibel gewesen. Eine der Hauptmotivationen für eine
alternativen Auffassung, dem funktional-typologischen Verständnis oder der Sprachtypologie
(die oft mit Joseph H. Greenberg in Verbindung gebracht wird), ist es, Hypothesen der
linguistischen Universalien auf dem Studium einer möglichst großen Vielfalt von Sprachen zu
begründen, die entdeckten Variationen zu klassifizieren und Theorien zu formen, die auf dieser
Klassifikation aufbauen. Chomskys Ansatz ist zu detailliert und zu sehr auf das Wissen von
Muttersprachlern bezogen, um dieser Methode zu folgen, obschon sein Ansatz im Lauf der Zeit auf
ein breites Spektrum von Sprachen Anwendung fand.
Chomsky ist, unabhängig davon, inwieweit seine Ergebnisse Schlüssel zum Verständnis menschlicher
Sprache darstellen, berühmt für seine Untersuchungen formaler Sprachen. Seine
Chomsky-Hierarchie
teilt die formale Grammatik in Klassen wachsender Ausdruckskraft. Jede folgende Klasse kann zu
einem breiteren Satz formaler Sprachen als die vorhergehende führen. Interessanterweise vertritt
er die Auffassung, dass die Beschreibung einiger Aspekte der Sprache eine im Sinne der
Chomsky-Hierarchie komplexere formale Grammatik benötigen, als die Beschreibung anderer Aspekte.
Beispielsweise reiche eine reguläre Sprache aus, die Englische Morphologie zu beschreiben, sei
aber nicht stark genug, um auch die englische Syntax zu beschreiben. Die Chomsky-Hierarachie ist
über ihre Bedeutung für die Linguistik hinaus zu einem wichtigen Element der theoretischen
Informatik, speziell des Compilerbaus geworden, da sie über bedeutende Verbindungen und
Isomorphismen mit der Automatentheorie verfügt.
Chomskys linguistisches Werk beeinflusste maßgeblich die Entwicklung der Psychologie im 20.
Jahrhundert. Seine Theorie einer Universalgrammatik war ein direkter Angriff auf die etablierten
behavioristischen Theorien seiner Zeit und hatte erhebliche Auswirkungen auf das wissenschaftliche
Verständnis des kindlichen Spracherwerbs und der menschlichen Fähigkeit zur Interpretation von
Sprache. Selbst wenn die weitergehenden Thesen des oben beschriebenen Prinzipien- und
Parametermodells heftig umstritten sind, die grundlegenden Prinzipien der Theorie Chomskys sind
heute allgemein anerkannt.
1959 veröffentlichte Chomsky seine Kritik an B.F. Skinner's "Verbal Behaviour" (Lit.: B.F.
Skinner, 1991), einem Buch, in dem der führende Vertreter der in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts vorherrschenden behavioristischen Psychologie behauptete, dass Sprache in erster
Linie ein Verhalten (engl.behavior) sei. Dieses Verhalten, so Skinner weiter, könne wie jedes
andere Verhalten - vom Schwanzwedeln eines Hundes bis zur Vorstellung eines Klaviervirtuosen -
durch Belohnung und Strafe geformt werden. Sprache wird nach Skinner vollständig über Vorbilder
und über die Konditionierung durch die Umwelt erworben.
Chomskys Kritik an Skinners Methodik und seinen grundlegenden Annahmen bereitete den Weg für eine
Revolution gegen die behavioristische Doktrin. In seinem Buch "Cartesianische Linguistik" von
1966 und anderen weiterführenden Arbeiten entwickelte Chomsky eine Erklärung der menschlichen
Sprachfähigkeit, die auch für Untersuchungen in anderen Bereichen der Psychologie Modellcharakter
entfaltete. Viele Aspekte des gegenwärtigen Konzepts von der Funktionsweise des Geistes
entspringen unmittelbar Ideen, die in Chomsky ihren ersten überzeugenden zeitgenössischen Autor
fanden.
Hier sind vor allem drei Kerngedanken festzuhalten. Erstens, behauptete er, ist der Geist
kognitiv. Das bedeutet, dass er tatsächlich mentale Zustände, Überzeugungen, Zweifel usw.
enthält. Frühere Ansichten haben das mit dem Argument abgelehnt, dass es sich lediglich um
Ursache-Wirkung Beziehungen - beispielsweise der Art "Wenn Du mich fragst, ob ich X will,
werde ich Y sagen" - handle. Im Widerspruch hierzu zeigte Chomsky, dass es besser sei, den Geist
so zu verstehen, als ob man es mit Gegenständlichem wie Überzeugungen oder auch Unbewusstem zu
tun hätte.
Zweitens behauptete er, dass ein Großteil dessen, was der erwachsene Geist könne, bereits
angeboren sei. Es käme zwar kein Kind auf die Welt, das bereits eine Sprache spreche, aber alle
werden mit der Fähigkeit zum Spracherwerb geboren, die es sogar gestatte, in wenigen Jahren
gleich mehrere Sprachen geradezu aufzusaugen. Psychologen erweiterten diese These weit über das
Feld der Sprache hinaus. Der Geist des Neugeborenen wird heute nicht mehr als unbeschriebenes
Blatt betrachtet.
Schließlich entwickelte Chomsky aus dem Konzept der Modularität ein entscheidendes Merkmal der
kognitiven Architektur des Geistes. Der Geist sei aus einer Ansammlung zusammenwirkender
spezialisierter Subsysteme zusammengesetzt, die aber nur eingeschränkt miteinander
kommunizierten. Diese Vorstellung unterscheidet sich stark von der alten Idee, dass jedes
Stückchen Information im Geist durch jeden anderen kognitiven Prozess abgerufen werden könne.
(Optische Täuschungen zum Beispiel lassen sich nicht abschalten, sogar dann nicht, wenn man
wisse, dass es sich um Illusionen handle).
Chomsky erhielt für seine Werke bisher folgende Auszeichnungen:
- 1984 Distinguished Scientific Contribution Award der American Psychological Association (APA)
- 1996 Helmholtz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
- 2004 Carl-von-Ossietzky-Preis für Zeitgeschichte und Politik der Stadt Oldenburg